Landsberg-Lese

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Landsberg-Lese

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Leipzig-Skizzen
von Gerhard Klein,
Bertuch Verlag 2009

Buch-Cover der Leipzig-Skizzen Gerhard Kleins aus dem Bertuch Verlag Weimar
Das schöne Harfenkarolinchen aus Landsberg

Das schöne Harfenkarolinchen aus Landsberg

Inge Fricke

Das schöne Harfenkarolinchen aus Landsberg

Die Geschichte der Karoline Gerstner (1773-1824)

Der Leipziger Drallewatsch rund um das Kaffeehaus "Zum Arabischen Coffee Baum", hist. Skizze von Dr. Gerhard Klein
Der Leipziger Drallewatsch rund um das Kaffeehaus "Zum Arabischen Coffee Baum", hist. Skizze von Dr. Gerhard Klein

Es war im Jahre 1752, als Johannes Gerstner aus Bergheim bei Würzburg, nachdem er viereinhalb Jahre in einem württembergischen Grenadierregiment gedient hatte, nach Landsberg kam. Hier heiratete er 1760, mitten im Siebenjährigen Krieg, Katharina, die Tochter des Schneiders Reiff. Gerstner trat in preußische Dienste ein und brachte es bis zum Korporal. Einige Jahre nach dem Krieg nahm er Abschied vom Soldatenleben und verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Leineweber und Wollspinner. Soweit es seine Zeit erlaubte, widmete er sich dem Geigenspiel. Das Talent dazu hatte ihm bereits sein Vater, der Glöckner und Musikus Georg Gerstner vererbt. Beide hatten sonntags in Bergheim und Umgebung musiziert.

So verwundert es nicht, daß auch die 1773 geborene jüngste Tochter des Johannes Gerstner, Karoline, eine besondere Begabung für die Musik hatte. Und obwohl im Hause Gerstner sicher nicht gerade der Wohlstand herrschte, tat Johannes Gerstner alles, um diese besondere Begabung seiner Tochter zu fördern. So kaufte er ihr eine Harfe, auf der sie es bald zu großer Fertigkeit brachte. Auch ihre Stimme erregte, trotz Mangels an Gesangsunterricht, in Landsberg und Umgebung Aufsehen.

Auf Anraten von Freunden begann Gerstner, inzwischen Witwer, mit seiner Tochter die Leipziger Messe zu besuchen und in den Kaffeehäusern zu musizieren. Die Beiden waren sehr erfolgreich. Von der ersten Messe an waren sie so beliebt, daß sie nun von den Inhabern der angesehensten Kaffeehäuser schon im Voraus bestellt wurden. Mit den beträchtlichen Einnahmen kaufte Gerstner in erster Linie immer bessere Instrumente und Musikalien. In der Zeit zwischen den Messen übten er und Karoline in Landsberg neue Musikstücke der damals beliebten Opern ein.

Die Leipziger achteten die junge Harfenspielerin, die durch ihre Tugend und Sittsamkeit bekannt war, und begegneten ihr stets mit besonderer Hochachtung. Nicht so die fremden Kaufleute, welche die Messe besuchten. Hier bedurfte es oft eines ernsten Auftretens des Vaters, um Karoline vor deren Unverschämtheiten zu schützen. So wurde in der Michaelismesse 1791, als Karoline mit ihrem Vater im Klessig'schen Kaffeehaus musizierte, ein Engländer zudringlich, der von einem jungen Studenten in die Schranken gewiesen wurde. An allen folgenden Abenden lauschte der beherzte junge Mann, Student der Theologie, nun den Klängen der Harfe und bald kam es zur Verlobung der jungen Leute. Obgleich einige Verwandte und auch Teile des Leipziger Publikums die Verlobung des angehenden Geistlichen mit Karoline, die in Kaffeehäusern musizierte, nicht guthießen, hielt sich das Paar die Treue. Karoline siedelte mit ihrem Vater von Landsberg nach Leipzig über. Um die zürnende Familie ihres Bräutigams zu versöhnen, hörte sie auf, in den Kaffeehäusern zu spielen und gab statt dessen Stunden in Gesang und Harfenspiel.

1795 vermählten sich Karoline und der nunmehrige Hilfsprediger Karl Friedrich Lucius. Da die Hilfspredigerstelle nur von Unverheirateten bekleidet werden durfte, erwarb Lucius in den Folgejahren den Unterhalt für sich, seine Frau und die beiden inzwischen geborenen Söhne durch Privatstunden und schriftstellerische Tätigkeit. Das Geld reichte für die Bedürfnisse der Familie aus, so daß Karoline aufhörte Stunden zu geben und Harfenspiel und Gesang nur noch im Familien- und Freundeskreis gepflegt wurden. Vater Johannes Gerstner, der nicht untätig sein wollte, erwarb sich seinen Unterhalt mit Wollespinnen und dem Abschreiben von Noten.

Karl Friedrich Lucius hatte versucht, nach der Geburt seiner beiden Söhne, doch noch eine Pfarrstelle zu erlangen, um den gewachsenen Bedürfnissen der Familie Rechnung tragen zu können. Dieser Wunsch erfüllte sich für Ihn jedoch nicht mehr. Als er 1799 schwer erkrankte und auch ein Aufenthalt in Bad Lauchstädt keinerlei positive Wirkung zeigte, begann eine trostlose Zeit für Karoline, ihre Kinder und ihren alten Vater. Noch 1799 starb Karolines Ehemann. Sie selbst widmete sich gemeinsam mit Ihrem Vater, der 1804 in Leipzig starb, der Erziehung ihrer beiden Söhne. Karoline Lucius, geborene Gerstner, verstarb 1824.

Quellen:

  • Das Lebensbild der Harfenspielerin Karoline Gerstner aus Landsberg, von B.Brühl.- In: Heimatkalender der Muldenkreise Bitterfeld und Delitzsch.- Düben: Verlag Paul Streubel, 1935, S.30 ff.
  • Illustration: Leipzig-Skizzen, Skizzen und Texte von Gerhard Klein, erschienen 2009 im Bertuch Verlag Weimar, Link zum Buch

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