Eine herausragende Persönlichkeit der Landsberger Stadtgeschichte ist nicht zuletzt der Postmeister Paul Sannemann. Nur wenige wissen heute um seine aktive Beschäftigung mit der örtlichen Heimatgeschichte und die Gründung eines eigenen Heimatmuseums in Landsberg. Paul Sannemanns Sohn Bernhard hat die Erinnerung an seinen Vater für uns lebendig gehalten.
Am 02. Juli 1887 erblickt Paul Sannemann in Bischofrode (bei Eisleben) das Licht der Welt. In Eisleben besucht er die Realschule. Mit der Vertretung und Einrichtung von Poststellen, beginnt er 1904 seine Tätigkeit beim Kaiserlichen Postamt Halle (Saale). Bei Kriegausbruch 1914 ist Paul Sannemann, wie so viele seiner Zeitgenossen, als Feldwebel Freiwilliger im Ersten Weltkrieg. Er wird verwundet und gerät in Kriegsgefangenschaft, aus der er 1920 zurückkehrt.
Als Postmeister übernimmt Paul Sannemann am 01. April 1924 das Landsberger Postamt. Marie Finke, die Tochter des Wirtsehepaares vom Landsberger Gasthof "Pelikan", wird 1925 Sannemanns Ehefrau. Aus der Ehe stammen die Söhne Bernhard und Martin. Ab 1926 beschäftigt sich der Landsberger Postmeister mit dem Sammeln musealer Objekte und verfasst Beiträge zur örtlichen Heimatgeschichte. So setzt er beispielsweise die 1927 von Pfarrer Helmut Ulbrich ins Leben gerufene Reihe "Der Plauderer vom Kapellenberg" in den "Landsberger Nachrichten" fort. In dieser Reihe schreibt er über Dokumente, welche in der Dachkugel der Landsberger Doppelkapelle gefunden wurden.
Als beim Bau der Häuser in der Leipziger Straße, im Jahre 1930, neben zahlreichen slawischen Scherben, eine gut erhaltene weibliche Schädelbestattung gefunden wird, ist es Paul Sannemann, der diesen Fund an das Provinzialmuseum in Halle überweisen läßt. Bei planmäßigen Ausgrabungen im Jahre 1933, unter Leitung von Dr. phil. Werner Hülle von der Landesanstalt für Vorgeschichte zu Halle a.S., wird eine gewaltige slawische Wallanlage ermittelt, die ursprünglich den ganzen Berg umspannte. Paul Sannemann wirkt bei diesen Ausgrabungen aktiv mit. Seine archäologischen Aktivitäten bringen ihm bald den Spitznamen "Scherbel-Paule" ein. Im Jahre 1932 erscheint die von Paul Sannemann verfasste Broschüre "Rund um den Kapellenberg".
Inzwischen ist die museale Sammlung des Postmeisters groß genug, um daraus ein eigenes Heimatmuseum entstehen zu lassen. Das Museum wird am Osterwochenende des Jahres 1933, im Laden des Töpfermeisters Peter, Ecke Bahnhofstraße/ Mühlgasse, neben dem Landsberger Postamt, eröffnet. Wie in den "Landsberger Nachrichten" vom 15. April 1933 berichtet wird, sind etwa 200 Ausstellungsstücke zu sehen. Neben vorgeschichtlichen Funden, städtischen Originalurkunden, Innungssachen, Gewehren und Säbeln kann auch der Kriegsatlas Bernadottes, des Kronprinzen von Schweden, der vor der Völkerschlacht bei Leipzig in der Landsberger Sonnenapotheke übernachtet hat, im neuen Museum bestaunt werden.
Nach Motiven von Paul Sannemann und Pfarrer Petersell werden im April 1935 künstlerische Gemälde für den Landsberger "Ratskeller" gefertigt. An deren Stelle befinden sich heute vom Maler Michael Zabel im Jahre 1999 neu gestaltete Bilder zur Stadtgeschichte. Zahlreiche Spenden aus der Bevölkerung führen schon bald dazu, sich Gedanken über eine Vergrößerung des Landsberger Heimatmuseums zu machen. Pläne einer Zusammenlegung mit dem 1916 von Bernhard Brühl in Petersdorf - Gütz begründeten Heimatmuseum werden 1935 zunächst ad acta gelegt. Statt dessen wird ein Museumsneubau für das Landsberger Heimatmuseum begrüßt. Interessanterweise soll das neue Museum auf dem Mühlberg erbaut werden, wo heute das Landsberger Museum "Bernhard Brühl" seinen Standort hat.
Nach der Versetzung Paul Sannemanns, als Oberpostmeister, nach Herzberg/ Elster, am 01. März 1936, wird der Plan des Museumsneubaus auf dem Mühlberg jedoch nicht mehr umgesetzt. Paul Sannemann übergibt die im Ergebnis seiner Spendensammlung zum Bau des Museums zusammengekommenen 1546 Reichsmark an den damaligen Bürgermeister Uhde. Nach dem Umzug nach Herzberg stirbt Sannemanns Frau Marie noch 1936. Ein schwerer Schicksalsschlag für den Oberpostmeister. Im Heimatkalender für die Muldenkreise Bitterfeld und Delitzsch erscheint im selben Jahr Paul Sannemanns Artikel "Von der Schneiderinnung zu Landsberg".
Das Heimatmuseum in der Stadt Landsberg wird am 01. Januar 1938 schließlich doch noch mit dem Heimatmuseum der Gemeinde Gütz vereinigt. Die museale Sammlung in Landsberg wird aufgelöst. Teile des Bestandes gehen an das Gützer Heimatmuseum, andere an das Museum in Delitzsch. Im November desselben Jahres verkauft Paul Sannemann den Gasthof "Zum Pelikan" an die Stadt Landsberg. Die "Landsberger Nachrichten" berichten, daß der Gasthof nach der Zwangsversteigerung allmählich in Verfall geraten sei. Der Saal, die Stallungen und weitere Teile werden abgebrochen. So verschwinden nach und nach alle Spuren, die Paul Sannemann in Landsberg gesetzt hat. Im Jahre 1942 trifft Paul Sannemann ein weiterer Schicksalsschlag. Sein Sohn Martin stirbt.
1945 kommt die Chronik der Stadt Landsberg, zu der auch Paul Sannemann seinen Beitrag geleistet hat, abhanden. Damit geht eine weitere Spur Sannemanns in Landsberg verloren. In Briefen aus dem Jahre 1957 regt Paul Sannemann die Landsberger Heimatfreunde zur Fortsetzung der Forschungsarbeit vor Ort an und macht Vorschläge zur Einrichtung des Heimatmuseums, welches in der Landsberger Bahnhofstraße neu entsteht. Er stellt der 1954 gebildeten Arbeitsgemeinschaft "Heimatgeschichte und Denkmalpflege" Materialien zur Ortsgeschichte sowie Ergebnisse eigener Forschungen zur Landsberger Geschichte für eine neue Ortschronik zur Verfügung
Am 16. Oktober 1979 stirbt Paul Sannemann in Eltville am Rhein. Es hätte ihn sicher gefreut, zu wissen, daß das Landsberger Museum nun doch noch auf dem Mühlberg seinen Platz gefunden hat. Trotz diverser Verluste an musealen Objekten im Laufe der Jahrzehnte, haben zahlreiche Stücke der alten Sannemannschen Sammlung ihren Weg in die Dauerausstellung des Museums "Bernhard Brühl" gefunden, nicht zuletzt ein alter preußischer Posthut.